Wahlbetrug, Gewalt gegen Demonstranten, Einschüchterung und Verfolgung der Opposition – Belarus stand in letzter Zeit wohl wie kein anderes osteuropäisches Land im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung. Doch was ist dran an den Vorwürfen gegen die weißrussische Staatsführung? Die OSZE setzte im September Univ.-Prof.i.R. Dr. Wolfgang Benedek (Institut für Völkerrecht sowie UNI-ETC) als Berichterstatter ein, um dem nachzugehen. Dieser Aufgabe musste er unter erschwerten Bedingungen nachkommen. Belarus weigerte sich trotz rechtlicher Verpflichtung, den Experten für seine Recherchen ins Land zu lassen. So wertete Wolfgang Benedek mehr als 700 Mitteilungen und Berichte aus, führte Online-Interviews mit NGOs, Opfern und ihren Rechtsanwält_innen.
Am 5. November legte der REWI-Professor seinen Untersuchungsbericht dem Ständigen Rat der OSZE in Wien vor, in welchem er das düstere Bild, das in den Medien gezeichnet wurde, bestätigte. Der Experte sieht die umfangreichen Menschenrechtsverletzungen als erwiesen an und hält fest, dass die Wahlen weder transparent noch frei und fair waren
Wolfgang Benedek stellt Unregelmäßigkeiten auf allen Ebenen des Wahlvorgangs fest. Er zeigt ausführlich systematische Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit der Niederschlagung politischer Proteste auf. Er verweist auf große Probleme im Bereich der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, führt Einschränkungen der Pressefreiheit an, wo er insbesondere auch die Gefährdung von Journalist_innen hervorhebt, gegen die mit Hilfe des Verwaltungsstrafrechts, Strafrechts oder auch mit Polizeigewalt vorgegangen wird, und schildert Bedrohungen, Verfolgungen und Drangsalierungen von politischen Aktivist_innen, Kandidat_innen, Rechtsanwält_innen oder Menschenrechtsaktivisten sowie Universitätsangehörigen.
Schließlich formuliert der OSZE-Berichterstatter seinem Mandat entsprechend 88 Empfehlungen, die sich vorwiegend an Weißrussland, aber auch die OSZE und die internationale Gemeinschaft richten, welche er etwa auffordert, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen nicht anzuerkennen, die Zivilbevölkerung und Opfer der Behördengewalt zu unterstützen sowie politisch Verfolgten aus Weißrussland Unterstützung zu gewähren.
„Dies kann auch für unsere Universität relevant werden, wenn es etwa um Fellowships oder Stipendien für weißrussische Universitätsangehörige geht, die aufgrund der Teilnahme an Protesten von Universitäten ausgeschlossen wurden, eine Situation wie wir sie mit der Türkei bereits erlebt haben“, meint Wolfgang Benedek ergänzend.